Soll Daniel Tom, der schon ein paar Bier getrunken hat, sein Mofa leihen, damit er seine Freundin umstimmen kann? Für Daniel eine schwierige Situation. Er möchte seinen Freund nicht enttäuschen, weiß aber auch, dass es gefährlich ist, in Toms Zustand noch zu fahren. Eine Dilemmageschichte für die Sekundarstufe II.
Aus Freundschaft nachgeben?
Konfliktsituationen belasten und können zu riskantem Verhalten führen. „Katzenjammer“ beschreibt eine Dilemmasituation. Das sind Situationen, in denen man sich zwischen Handlungsweisen entscheiden muss, die beide mit anerkannten Normen in Konflikt stehen. Der Lehrer kann auch von Schülern eingebrachte Dilemmata behandeln.
Ziele
- Bei Schülern soll die Fähigkeit gefördert werden, mit belastenden Situationen und Problemen konstruktiv umzugehen.
- Sie sollen unter Belastung sichere Entscheidungen treffen und riskantes (Verkehrs-)Verhalten vermeiden.
- Ihre Wahrnehmung von Widersprüchen und Diskrepanzen im Denken über Problem- und Konfliktsituationen soll gefördert werden und damit das Auffinden neuer und besserer Lösungen moralischer Probleme.
Methodische Hinweise
Die Diskussion von Dilemmasituationen wurde von Lawrence Kohlberg als Ansatz der moralischen Erziehung entwickelt. Dilemmadiskussionen sollen die Entwicklung des moralischen Urteilsvermögens anregen, das eine wesentliche Voraussetzung für moralisches Handeln ist.
Die Diskussion kann folgendermaßen ablaufen:
- 1. Konfrontation der Schüler mit der Situation (z.B. Vorlesen oder Ausgabe des Textes).
- 2. Jeder Schüler schreibt in Einzelarbeit auf, für welche Alternative er sich entscheidet, und begründet dies. Bekanntgabe der Wahl in der Klasse (z.B. durch Handaufzeigen). Erste Sammlung von Gründen für die Entscheidung (Tafel- oder White-Board-Anschrieb).
- 3. Kleingruppenarbeit: Diskussion der Entscheidungen und Begründungen. Folgende Vorgehensweisen sind möglich:
- Schüler mit der gleichen Ansicht arbeiten zusammen. Sie sammeln Begründungen für ihre Position, suchen die besten heraus und tragen sie anschließend in der Klassendiskussion vor. Dabei erläutern sie auch, warum einige Begründungen geeigneter erscheinen als andere.
- Schüler mit unterschiedlichen Ansichten arbeiten zusammen. Sie sollen die besten Begründungen für die beiden Standpunkte finden und dann in der Klasse / dem Kurs vortragen. Sie erläutern ferner, warum eine Begründung besser ist als eine andere.
- Wenn die Klasse / der Kurs einstimmig eine Position vertritt, ist folgende Alternative möglich: Bildung mehrerer gleich großer Gruppen. Zwei Gruppen erhalten die Aufgabe, Argumente für ein bestimmtes Verhalten zu sammeln, die anderen stellen Gegenargumente zusammen. Danach werden die Argumente an die Tafel geschrieben.
- 4. Nachdem die Schüler eine Reihe anderer Argumente gehört haben, überdenken sie ihre ursprüngliche Position (Was sind die besten Argumente der Gegenseite?).
Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, die Diskussion anzuregen und zu steuern.
Arbeitsblatt
„Katzenjammer“ beschreibt eine typische Dilemmasituation. Mögliche Fragen:
- 1. Soll Daniel sein Mofa verleihen?
- 2. Hat Daniel eine Verpflichtung Tom gegenüber?
- 3. Ist Fahren nach Alkoholkonsum in dieser Ausnahmesituation gerechtfertigt? Ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt?
- 4. Angenommen, Daniel verleiht sein Mofa und Tom hat einen Unfall, bei dem er verletzt wird.
- Kann Tom ihm Vorwürfe machen? Wären sie gerechtfertigt?
- 5. Angenommen, Daniel verleiht sein Mofa nicht und Tom verliert seine Freundin.
- Könnte Tom ihm Vorwürfe machen? Wären sie gerechtfertigt?
- 6. Angenommen, Daniel verleiht sein Fahrzeug und Tom wird von der Polizei angehalten.
- Wäre es gerechtfertigt, dass er wegen Trunkenheit im Straßenverkehr bestraft wird? Warum?
- Wäre es gerechtfertigt, dass auch Daniel bestraft wird?
Der Lehrer kann das Dilemma abwandeln und zuspitzen, wenn sich die Klasse überwiegend einer der beiden Positionen anschließt.
- Bei zu vielen Stimmen für „verleihen“:
- Tom ist schon einmal mit Alkohol aufgefallen. Wird er wieder angehalten, wird er noch härter bestraft.
- Der Weg zur Diskothek führt über eine stark befahrene Straße.
- Es ist schon dunkel und am Mofa funktioniert das Rücklicht nicht.
- Bei zu vielen Stimmen für „nicht verleihen“:
- Tom droht Daniel, ihre Freundschaft aufzukündigen und den geplanten Urlaub ins Wasser fallen zu lassen. Für Daniel wäre das eine große Enttäuschung.
- Tom könnte seine Freundin zurückgewinnen, wenn er sie sofort aufsucht. Sie will ihn eigentlich nur auf die Probe stellen.
aus: Michael Geiler: „Risiko und Risikoverhalten“, in: Jugend & Verkehr. Projekte für die Sekundarstufe II, hrsg. von der Deutschen Verkehrswacht, Meckenheim 1998, Heft 5, S. 23 und CD-ROM