Bei der subjektiven Beurteilung und Einschätzung von Risiken spielen objektive Risikoverhältnisse – die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses (z.B. Unfall) und die Schadenshöhe (Verletzung, Tod) – oft nur eine untergeordnete Rolle. Wie ein Risiko eingeschätzt wird, ob man es akzeptiert oder nicht, hängt nicht nur von objektiven Faktoren ab, sondern sehr stark von Glauben, Ängsten und Wünschen.
Wie gefährlich ist das Gefährliche?
Als wichtig für die Risikobeurteilung haben sich erwiesen:
a) Die Auffälligkeit oder mentale Verfügbarkeit des Ereignisses
Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses wird für umso größer gehalten, je besser ein ähnliches Ereignis vorgestellt oder erinnert werden kann. Beispiel: Kurz nachdem Autofahrer eine Unfallstelle passiert haben, fahren sie für eine gewisse Zeit langsamer.
b) Darstellungsweise der Folgen
Die Risikobeurteilung fällt anders aus, wenn die möglichen Folgen des Ereignisses als Gewinne (z.B. Überlebenswahrscheinlichkeit) oder Verluste (z.B. Sterbewahrscheinlichkeit) dargestellt werden.
c) Katastrophenpotenzial
Das Risiko einer Technik bzw. einer Tätigkeit wird höher eingeschätzt, wenn sie das Potenzial zur Verursachung von Unfällen mit vielen Verletzten bzw. Todesfällen hat. Treten Todesfälle hingegen einzeln auf, wird das Risiko für niedriger gehalten. Beispiel: Im Durchschnitt kamen 2020 pro Tag 7 Menschen im Straßenverkehr in Deutschland ums Leben. Die meisten dieser Unfälle werden kaum zur Kenntnis genommen. Kommen bei einer Massenkarambolage im Nebel viele Menschen zu Schaden, wird breit über das Vorkommnis berichtet.
d) Persönliche Betroffenheit
Risiken, von denen man selbst betroffen ist, werden höher eingeschätzt.
e) Freiwilligkeit
Freiwillig eingegangene Risiken werden weniger kritisch gesehen und eher akzeptiert als solche, denen man unfreiwillig ausgesetzt ist.
f) Kontrollierbarkeit
Man hält sich für weniger gefährdet, wenn man glaubt, persönlich Einfluss auf die Höhe des Risikos zu haben (beim Autofahren, beim Bergsteigen). Hingegen wir alles, dem man sich ausgeliefert fühlt (z.B. Industrieanlagen in der Wohnumgebung, Pestizide in Lebensmitteln usw.), für riskanter und weniger akzeptabel gehalten.
g) Verantwortlichkeit
Risiken werden stärker gewichtet, wenn ein Verursacher wahrgenommen wird. Auch für den Einzelnen ist die Verantwortlichkeit für die Folgen seines Handelns von Bedeutung. Handlungen, für deren negative Folgen man in den Augen der anderen verantwortlich ist, vermeidet man gerne, auch wenn das Risiko des Nicht-Handelns für die anderen objektiv größer ist.
h) Signalpotenzial
Unfälle und Schäden können unterschiedliche Signalwirkung haben. Bei Schadensfällen mit neuen und unvertrauten Technologien (z.B. Gentechnologie) ist die Signalwirkung hoch. Unfälle mit vertrauten Techniken haben keine solche Signalwirkung (z.B. Zugunglück, Unfälle eines Tanklastzuges).
Wie bieten Ihnen einen Unterrichtsvorschlag zur Risikoeinschätzung.
(in Anlehnung an: Michael Geiler: „Risiko und Risikoverhalten“, in: Jugend & Verkehr. Projekte für die Sekundarstufe II, hrsg. von der Deutschen Verkehrswacht, Meckenheim 1998, Heft 5, S. 25)