Wie ein Mensch sich verhält, hängt stark vom Verhalten anderer ab. Sein Verhalten und Handeln wiederum beeinflussen seine Mitmenschen. Das Verhalten einer Person ist gleichzeitig Ursache und Wirkung. Jede Interaktion in einem sozialen System stellt ein Kreisgeschehen dar. Im Straßenverkehr lässt sich das besonders gut beobachten.

Soziale Interaktion, Kreisprozesse und Rückkopplung

Soziales Verhalten wird stärker von Rückkopplungen geprägt, als den meisten Menschen bewusst ist. Sie sehen ihr Verhalten als Reaktion anderer, oft verbunden mit Schuldzuweisungen: „Weil du so und so handelst …“ Dabei ist die Frage, wer schuld ist oder angefangen hat, so müßig wie die, ob zuerst die Henne oder das Ei da war!

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Aggressives Agieren beeinflusst das Verhalten aller!


Beispiele für Kreisprozesse in Verkehrssituationen

Verkehrssituationen sind idealtypische Beispiele für solche Kreisprozesse.

  • Geschwindigkeitsverhalten von Autofahrern:
    • Die eigene Geschwindigkeit hängt in hohem Maß von der bei anderen beobachteten Geschwindigkeit ab und ist wiederum für andere eine Orientierungsgröße.
  • Übernahme des Fahrstils einer anderen Region, eines anderen Landes:
    • 60 km/h auf norwegischen oder griechischen Straßen gelten als normal und werden auch vom deutschen Touristen nicht als langsam empfunden. Kommt er auf eine Bundesautobahn zurück, steigt die als „normal“ erlebte Geschwindigkeit beträchtlich.
    • Eine Geschwindigkeit von 100 km/h wird auf einem amerikanischen Highway oder auf einer deutschen Autobahn anders erlebt.
  • Die Bewegungsrichtung und die Geschwindigkeit eines Fußgängers in einer stark frequentierten Fußgängerzone hängen von der Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit der anderen Fußgänger ab, wirken aber auch auf diese zurück.
  • Imitations- und Mitzieheffekte im Verkehr:
    • Ein Fußgänger überquert bei „Rot“ die Straße – andere folgen.
    • Ein Motorradfahrer fährt noch bei „Gelb“ – ein weiterer ebenso.
    • Der Erste in einer Fahrzeugkolonne überholt einen Traktor, nachfolgende überholen ebenfalls, obwohl sie die Gegenfahrbahn nicht überschauen können.

Positive und negative Rückkopplungen

Zwischen dem Verhalten der Beteiligten in Verkehrssituationen bestehen intensive Wechselwirkungen – positive wie negative. Positive Rückkopplungskreise sind häufig gekoppelt an rücksichtsloses und aggressives Verhalten. Sie führen zu einer spiralförmigen Verschärfung der Situation. Negative Rückkopplung deeskaliert. Von einer sekundären negativen Rückkopplung spricht man, wenn zunächst eine positive Rückkopplung zu beobachten ist, der Handelnde sich dann aber anders besinnt und die Situation entschärft.

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Gegenseitiger Respekt und Höflichkeit kommt allen zugute!

Beispiele für positive Rückkopplungen:

  • Dichtes Auffahren führt dazu, dass der Vorausfahrende aus Protest oder Angst noch langsamer wird und der nachfolgende noch stärker drängelt.
  • Ein Fahrer auf der linken Autobahnspur sieht im Rückspiegel einen schnell näherkommenden Wagen mit Lichthupe. Aus Ärger und Wut wechselt er nun erst recht nicht nach rechts.
  • Streit um einen Parkplatz. Jemand drängelt sich vor einem anderen in eine freie Parklücke, worauf der zum „Gegenangriff“ übergeht, was weitere „Attacken“ des Dränglers auslöst und – so steht es immer wieder in der Zeitung – sogar in einer Schlägerei enden kann.
  • Jemand überholt riskant. Der Überholte überholt nun seinerseits gefährlich, was den anderen zu weiteren riskanten Fahrmanövern veranlassen kann.

Beispiele für negative Rückkopplungen:

  • Ein Fahrer geht vom Gas, damit ein bestimmter Abstand zum Vorausfahrenden nicht unterschritten wird.
  • Man lenkt gegen, um ein schleuderndes Fahrzeug abzufangen.
  • Man fährt langsamer, wenn sich die Fahrbahn verengt oder belebter wirkt.
  • Man gibt als Klügerer nach und lässt den Dauerblinker vorbei.

Beispiele für sekundäre negative Rückkopplung:

  • Man fährt schneller, weil andere schneller fahren, gerät ins Schleudern und fährt danach besonders langsam.
  • Man überholt riskant, weil andere drängeln, kommt dabei in eine gefährliche Situation und ist anschließend bei weiteren Überholmanövern besonders vorsichtig.

(nach Wolfgang Böcher/Michael Geiler: Eigenverantwortung und Regelbefolgung. Hrsg. von der Deutschen Verkehrswacht, Bonn 1991, S. 94–97)